Ujjayi ist eine Atemtechnik, die Sie vielleicht schon von Ihrer Yogamatte kennen, deren Tiefe sich jedoch oft erst beim bewussten Üben erschließt. Es ist der Atem, der wie eine sanfte Welle klingt – subtil hörbar, innerlich wärmend und in der Konzentration verankert. Wörtlich bedeutet „ujjayi“ „Sieger“ und Sie können es spüren: Wenn dieser Atem Ihre Aufmerksamkeit fesselt, überwinden Sie Unruhe, Lärm und Ablenkung. Ziel dieser Technik ist nicht die Kontrolle Ihrer Atmung, sondern deren Verfeinerung. Und genau diese Verfeinerung macht diese Technik zu einem kraftvollen Werkzeug für jeden, der tiefer in Präsenz, Bewegung und Meditation eintauchen möchte.
Der Atem als Anker der Bewegung
Das Besondere an Ujjayi ist die Art und Weise, wie es den Atem hörbar und spürbar macht. Durch leichtes Einschnüren der Kehle verengen Sie bewusst den Luftdurchgang und erzeugen so einen weichen, ozeanähnlichen Klang. Der Atem strömt durch die Nase, der Fokus liegt jedoch auf dem Rachen – so, als ob Sie versuchen würden, ganz leise zu flüstern, ohne ein Geräusch zu machen. Diese Form der Atmung wird häufig in dynamischen Yogastilen wie Vinyasa und Ashtanga verwendet, bei denen Sie die Bewegung mit der Atmung synchronisieren. Der Atem wird so zu einem Metronom für Ihre Übungen, einem inneren Anker, der Ihnen hilft, aufmerksam zu bleiben. Aber Ujjayi ist nicht nur funktional. Es wirkt auch energetisch. Es wärmt den Körper von innen, aktiviert die Lebensenergie (Prana) und hilft, inneren Raum zu schaffen.
Wie man das Flüstern des Atems übt
Die Grundlage von Ujjayi ist Einfachheit. Sie sitzen oder stehen mit einer geraden, offenen Haltung. Dabei atmen Sie durch die Nase ein und aus und spannen dabei den Rachenraum leicht an – so, als würden Sie in einen Spiegel pusten, allerdings mit geschlossenem Mund. Es entsteht ein leises Rascheln. Nicht laut, aber präsent. Als ob der Atem Ihnen etwas zuflüstert. Sie können nur mit der Ausatmung üben oder mit der Ein- und Ausatmung, begleitet von Geräuschen. Der Atem bleibt ruhig, gleichmäßig und ohne Zwang. Wichtig ist, dass Sie den Atem „tragen“, ihn also mit Aufmerksamkeit und nicht mit Anspannung lenken. Anfangs mag es sich seltsam anfühlen oder unnatürlich klingen. Aber mit zunehmender Übung wird die Flüsteratmung zu einem zuverlässigen Partner bei Ihrer Atemarbeit. Es ist ein Klang, der Sie immer wieder zu sich selbst zurückbringt.
Eine Übung für jeden Moment des Tages
Möchten Sie Ujjayi auf zugängliche Weise praktizieren? Setzen Sie sich dann mit geradem Rücken und entspannten Schultern in einen ruhigen Raum. Legen Sie eine Hand auf Ihre Brust und die andere auf Ihren Unterbauch. Atmen Sie durch die Nase ein und stellen Sie sich vor, wie der Atem in Ihren Rachen gelangt. Spannen Sie Ihre Halsmuskeln sanft an, als würden Sie mit geschlossenem Mund „haaah“ sagen. Jetzt hören Sie ein rauschendes Geräusch – Ihr Ujjayi. Atmen Sie fünf Minuten lang in ruhigem Tempo auf diese Weise. Konzentrieren Sie sich auf den Klang, das Gefühl und den Rhythmus. Sie können diese Übung zu Beginn Ihres Tages, als kurze Pause zwischendurch oder als Vorbereitung auf die Meditation oder den Schlaf machen.
Was sich durch Ujjayi ändert
Wenn Sie diese Atemtechnik regelmäßig anwenden, ändert sich etwas in Ihrem Erleben. Ihr Fokus wird schärfer. Sie bewegen sich mit mehr Aufmerksamkeit. Sie spüren schneller, wenn Sie vom Weg abkommen. Der Atem wird zu einer Form der Meditation – nicht weil Sie still sitzen, sondern weil Sie ganz in der Bewegung präsent sind. Physiologisch hat Ujjayi eine beruhigende Wirkung. Es verlängert die Ausatmung, stimuliert das parasympathische Nervensystem und senkt Ihre Herzfrequenz. Gleichzeitig aktiviert es die Energie in Ihrem Körper – eine seltene Kombination aus Ruhe und Wachsamkeit. Viele Menschen stellen auch fest, dass es bei der Regulierung ihrer Emotionen hilft. Indem Sie Ihren Atem hörbar machen, drücken Sie aus, was in Ihrem Inneren vorgeht – ohne Worte, ohne Drama. Es ist eine Art zu atmen, die etwas öffnet. Etwas in Bewegung setzen.
Abseits der Matte, im Moment
Obwohl Ujjayi oft mit Yoga in Verbindung gebracht wird, können Sie diese Atemtechnik auch unabhängig von Ihren Übungen anwenden. Im Zug, wenn Sie spüren, wie die Spannung steigt. Für ein wichtiges Gespräch. Beim Spazierengehen, wenn der Kopf voll ist. Gerade in Alltagssituationen kann die sanfte Atmung dabei helfen, zu entschleunigen. Nicht indem wir gehen, sondern indem wir tiefer in dem landen, was jetzt ist. Der rauschende Atem bringt dich zurück – zu deinem Körper, zu deinem Rhythmus, zu deiner Ruhe.
Ein Atemzug, der dich trägt
Ujjayi-Atemarbeit ist keine spektakuläre Technik. Es ist nicht großartig, es ist nicht dramatisch. Doch in seiner Sanftmut liegt Stärke. Es ist ein Atemzug, der Sie trägt, der Ihnen hilft, aus der Ruhe herauszukommen und zu fühlen, ohne zu denken. Indem Sie diese Atmung täglich üben – auf der Matte oder in der Stille – entwickeln Sie eine verfeinerte Form der Präsenz. Der Atem wird zu einem Anker, einem Ritual, einer Erinnerung daran, dass Sie immer zurückkehren können. Auf dem Weg zur Einfachheit. Konzentrieren. Sich.